Tragfähiges Netzwerk
Der St.Galler Niklaus Rütsche berichtet, wie es dazu kam, dass er heute sein grosses Haus zusammen mit zwei jungen Flüchtlingen bewohnt. Und dass er dadurch grossartige Dinge erlebt. In der neuen Wohngemeinschaft, aber auch darüber hinaus, in der Nachbarschaft und sogar in der Quartierzeitung und im TV.
Niklaus Rütsche (Text), Erich Gmünder (Foto)
Ein tragfähiges Netzwerk schlummert oftmals vor sich hin. Seine Entdeckung, sein Aufbau, seine Weiterentwicklung und seine Wirkung können eine grosse Bereicherung sein. Oftmals ist ein Anstoss nötig.
So habe ich es erlebt mit «meinen» zwei jungen Erwachsenen aus Afghanistan und Somalia. Ein Freund von tipiti wies mich darauf hin, dass ich mein grosses Haus mit zwei Flüchtlingen beleben könnte. Ich fand die Idee ungewohnt, jedoch prüfenswert. So trafen wir künftigen möglichen Wohnpartner uns drei Mal. Dann sagten alle Ja! Das war der entscheidende Schritt, um loszulegen.
Bald zogen meine neuen Freunde ein. Wichtigste Voraussetzung war das gegenseitige Vertrauen. Mit Respekt, einer Portion Unkompliziertheit, Mut und Freude entwickelten wir unser Netzwerk. Das bedeutete auch, miteinander ein paar wenige Regeln zu erarbeiten, z.B. den Putzplan; jeden Mittwochabend ein gemeinsames Nachtessen mit wechselndem Koch; gegenseitige Information, wenn jemand Besuch hat.
Es ist wichtig, sich zuhause wohl zu fühlen und immer wieder daran zu arbeiten. Spürbar wird dieses Wohlbefinden z.B. beim strahlenden Lachen, bei der grossen Offenheit oder beim Gefühl, in dieser Wohnform angekommen zu sein. Zentral ist die Gleichwertigkeit aller Beteiligten. Diese fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl. So wird es möglich, dass wir uns wohl und sicher fühlen und realisieren, dass wertvolle Beziehungen entstanden sind und dass es Perspektiven gibt, welche uns alle drei weiterführen. Eine solche Wirkung in einer Gemeinschaft zu erleben, ist grossartig.
Interesse und Wohlwollen auch von ausserhalb
Auch die Wirkung nach aussen ist nicht zu unterschätzen. Ich informierte die Nachbarschaft mit einem einfachen Flyer bereits vor dem Einzug der Mitbewohner. Diese Info bewirkte viel Interesse und Wohlwollen. Zahlreiche Nachbar:innen fragten nach oder machten irgendein Angebot, luden uns z.B. zum Nachtessen ein. Wenn dazu noch der Redaktor der Quartierzeitung einen wohlwollenden Bericht schreibt und sich sogar das Fernsehen ankündigt, realisieren wir, dass wir hier vielleicht etwas Neues ins Rollen gebracht haben – aber auch, dass es zahlreiche Menschen im Quartier gibt, welchen wir und unsere WG nicht egal sind. So wächst unser Netzwerk. Schön wäre, wenn auch andere Hausbesitzende Ja sagen könnten. Tipiti vermittelt gerne geeignete Mitbewohnende und betreut sie aktiv und professionell. (Informationen dazu finden Sie hier.)
Es gibt viele verschiedene Netzwerke. Entscheidend für jedes ist, dass es gelebt wird, dass die Beteiligten sich wohl fühlen und dass es dadurch tragfähig ist. Das darf ich wegen und mit meinen zwei jungen Mitbewohnern auf eine schöne und liebevolle Art erleben.