Online-Ausstellung

Kinder brauchen verlässliche Beziehungen

In den 1970er-Jahren entwickelten die Pioniere von tipiti* rund um Rolf Widmer in der Ostschweiz das Modell der Heilpädagogischen Grossfamilien als Alternative für Kinder, die langfristig ausserhalb der eigenen Familie aufwachsen müssen. Die Initianten wollten es diesen Kindern ermöglichen, in einem familiären, entwicklungs­fördernden Umfeld mit konstanten Beziehungen aufzuwachsen. Auch Kinder mit Entwicklungsdefiziten sollten in einer Familie aufwachsen können und nicht in ein Heim platziert werden.

Sozialpädagogisch ausgebildete Ehepaare nahmen zu ihren eigenen Kindern vier bis fünf Pflegekinder in ihre Familien auf. Sie begleiteten diese bis zur Selbständigkeit und blieben ein familiärer Bezugspunkt in ihrem Leben.

Daraus entwickelte sich später das bis heute erfolgreiche Betreuungsmodell der Begleiteten Pflegefamilien. Auch hier werden Pflegeeltern fachlich begleitet, gefördert und vernetzt.

*damals Verein Heilpädagogische Grossfamilien VHPG

Kinder betreuen - aber wie!?

Für die Betreuung von Kindern, die nicht in der eigenen Familie aufwachsen, legte das europäische Projekt Quality4Children* Standards fest. Diese definieren grundsätzlich, Kinder müssten «in einem unterstützenden, schützenden und fördernden Umfeld leben, das die volle Entfaltung ihres Potenzials fördert».

Daraufhin verpflichtete sich tipiti auf diese Leitlinien:

eine verlässliche Beziehung zu den
Kindern und Jugendlichen aufbauen

Schutz und Sicherheit in
jeder Lebenslage gewähren

Aufbau eines tragfähigen sozialen
Netzwerks unterstützen

Entwicklung eines selbst­
bestimmten Lebens fördern

Die Organisation laufend den Bedürfnissen
der Kinder anpassen und weiterentwickeln

Kinder individuell fördern

Für Kinder und Jugendliche mit besonderen Lebensläufen führt der Verein tipiti in den Kantonen Appenzell und St. Gallen vier Sonderschulen. Das Spektrum reicht von der Primarschule über die Mittel- und Oberstufe bis zur Nachbetreuung auch während der beruflichen Ausbildung.

Die Kleingruppen-Schulen fördern jedes Kind individuell, unterstützen es bei der Entwicklung seiner Persönlichkeit und seines Selbstvertrauens und helfen ihm, eigene Ressourcen zu aktivieren. In Zusammenarbeit mit Eltern und Therapeuten streben die Schulen einen Übertritt in die Regelschule oder in eine berufliche Ausbildung an.

Mit individuellem Programm wird versucht, Lerndefizite auszugleichen. Der Unterricht in Kleinklassen bietet eine geschützte Lernatmosphäre; das Kind kann Möglichkeiten entdecken, Defizite akzeptieren, sich entfalten und Erfolge erleben.

Die zwei Oberstufen-Individualschulen bereiten Schüler/-innen auf die berufliche Grundbildung (Lehre, Anlehre, Grundbildung mit Berufsattest) oder die praktische Berufseinführung (IV-Anlehre) vor.

Das Schulteam begleitet die Jugendlichen bei Bedarf auch während der Berufsausbildung. Falls nötig, organisiert tipiti mit Jugendlichen begleitetes Wohnen bis zum Abschluss ihrer beruflichen Erstausbildung und der sozialen Eingliederung ins selbständige Leben.

Jugendliche bis zur Selbstständigkeit begleiten

Jugendliche brauchen Bezugspersonen, die ihnen verlässliche Beziehungen und einen Lebensraum anbieten, der ihrer Entwicklung förderlich ist. So können sie ihre Ressourcen erkennen und Perspektiven entwickeln.

Dafür schafft tipiti Lebensräume, in denen Jugendliche und Erwachsene ihren Alltag teilen. Dieses Begleitete Wohnen beinhaltet zwei Arten von Wohnplätzen für Jugendliche und junge Menschen: in einer fachlich begleiteten Familie oder auf eigenen Füssen bzw. mit anderen jungen Menschen in Wohngemeinschaft, immer aber von einer Bezugsperson individuell unterstützt bei der Alltagsgestaltung und bei Fragen rund um Schule, Ausbildung, Finanzen, Bezugsnetz usw.

Unbegleitete jugendliche Flüchtlinge

Unter den Flüchtlingen in der Schweiz sind viele Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern unterwegs sind. Für den Kanton Appenzell Ausserrhoden führt tipiti seit 2016 betreute Wohnplätze für über dreissig unbegleitete minderjährige Asylsuchende.

Die Jugendlichen wohnen in einer ersten Phase in zwei gemieteten Häusern in Trogen AR und danach in begleiteten Jugendwohngruppen oder bei Pflegefamilien. Zur Vorbereitung auf ihre Ausbildung führt tipiti die Integrationsschule für alle neu ankommenden Flüchtlinge. In seinem regionalen Werkzentrum in St. Gallen unterstützt tipiti die jungen Menschen, sich schulisch und praktisch auf ihren Beruf vorzubereiten – in Zusammenarbeit mit pensionierten Handwerkern.

Die jungen Flüchtlinge sollen sich in Sicherheit entwickeln können mit Bezugspersonen, die sie führen, ihnen zuhören, sie unterstützen und sich für sie engagieren. Es gilt, Zukunftsperspektiven zu entwickeln für eine berufliche und soziale Integration in der Schweiz oder eine Reintegration im Herkunftsland.

Damit diese jungen Menschen eine reale Chance auf Ausbildung haben, die sie zu eigenständigen, sozial verantwortlichen Menschen wachsen lässt, garantiert tipiti die Unterstützung über das 18. Lebensjahr hinaus bis zum Abschluss ihrer Erstausbildung und dem Aufbau eines selbständigen Lebens in der Schweiz oder für eine Rückkehr mit Perspektiven in ihr Heimatland.

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Fotografien © Archiv tipiti